Der Asphalt gleitet langsam, aber stetig unter mir durch. Lange Bahnen von weißen Linien begleiten mich auf der Reise, die mir durch die Zeit aufgezwungen wurde. Es geht nicht darum, nicht mehr vom Fleck zu kommen. Es geht um den Gang der Dinge. Es vergeht mir das Lachen, wenn ich daran herabsehe, was aus der zeitlosen Erstarrung meiner Gedanken geworden ist.
Ich entdecke, dass eine Sicherheit, nein, die Sicherheit nur durch Kontrolle erreicht werden kann. Ich muss mich mehr und mehr kontrollieren, kontrollieren lassen. Mich mit eiserner Kontrolle anziehen, statt immerzu der Kontrolle entfliehen zu wollen. Die Fesseln der Zurückhaltung sind doch wärmende, beschützende Bänder aus feinem Zwirn, stählerne Keuschheitsgürtel gibt es doch nicht.
Bitte, gib es endlich auf, unkontrolliert deine Gliedern herumwerfend, gedankenverloren, einfach auf die Wand zu zu rennen. Versuche es einfach nicht mehr, einfach mit dem Denken aufzuhören und dich gerade aus, durch die Mauern deiner Selbst, in den Abgrund der Neugierde zu werfen. Vermeide unbedingt den Kontakt, vermeide das alles, beginn endlich die unvermeidliche Kälte deiner Gefühle als warme, gefütterte Jacke zuzulassen. Lass es fallen, lass dir das endlich alles gefallen.
Bin ich endlich sicher? Ist es mir endlich gelungen, stark zu sein? Halten ich es endlich aus? Will ich endlich, endlich weiterkommen? Was erlaube ich mir noch immer, was soll ich ab sofort einstellen? Was, um alles in der Welt, will ich behalten, festhalten? Ohne daran zu denken, endlich einen Schritt, den Schritt in den Abgrund zu machen.
Jonathan steht noch da!
Jonathan steht da, er steht und versucht nicht zu denken. Das gelingt ihm natürlich nicht. Es geht einfach nicht, seine Augenblicke ohne Gedanken zu füllen. So etwas lässt die Welt nicht zu. Jonathan steht trotzdem aufrecht, ein aufrechter Körper, ein wenig hohlkreuzig, ein wenig verspannt, ein wenig, aber doch noch entschlossen, nach hinten gebeugt. Als ob sein materielles Ich noch nicht bereit wäre, bereit für die Zukunft wäre. Es nicht verstehen wollte, es nicht akzeptieren würde, nach vorne zu gelangen. Lieber noch ein wenig stehen bleiben, aber umdrehen will auch sein Körper nicht. Für eine Wende ist es, wenn er sich ehrlich ist, zu spät.
Seine Arme hängen herab, bilden sich als zwei Parallelen von den Schultern nach unten, Richtung des staubigen, recht trockenen Bodens der Realität. Wenn er seine Finger streckt, ausstreckt, spürt er die Anspannung seiner Sehnen, spürt er die Kraft, die noch in ihm steckt. Er freut sich, freut sich dran, sich selbst erspüren zu können. Warum auch nicht? Solange die gespannten Glieder sich nicht in die harte Erde graben, kann er sich sicher sein, dass seine Fingernägel so sauber bleiben.
Seine Beine zittern nicht, seine Beine sind zwei starke, lange Felsen in der luftigen Brandung. Sie stehen noch sicher, sie stehen still. Vielleicht bewegt sich der Saum seiner Hose ein wenig im Wind, aber das erlaubt es seinen Sprunggelenken nicht, nicht in Ruhe, in einer letzten Ruhe zu bleiben. Wann werden werden sein Beine den Stillstand beenden? Bald, sicher bald.
Jonathan hat die Augen geschlossen, er braucht sie nicht mehr, sie haben ihm hier hergebracht, ihm gute Dienste erwiesen. Keinen Augenblick lang waren sie unsicher gewesen und auch jetzt noch suchen sie unter den geschlossenen Lidern. Seine Augen sehnen sich nach Weite, nach mehr, aber eigentlich ist es ihnen wohl im Dunkeln. Auch sie haben ihren Platz gefunden. Gut so, Jonathan ist ihnen dankbar.
Denkt sein Gehirn noch immer daran herum, nicht mehr denken zu müssen? Natürlich sperrt es sich ein wenig gegen den letzten Gedanken, das ist normal, wer vermag es ihm zu verdenken. Alles erdenkliche haben Jonathans Gehirnwindungen schon zusammengesponnen, trotzdem haben sie nicht genug, noch nicht eigentlich. Trotzdem.
Jonathan macht einen Schritt.